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Kann sich die Logistik-Branche mit künstlicher Intelligenz neu erfinden?

April 15, 2019

Wie gut kennen Sie das Logistik-Universum wirklich? Denn seit es Big Data gibt ist alles anders! Vorbei die Zeit, in der knapp 2,9 Millionen LKW, tausende Güterwagons oder Handelsschiffe einfach nur von A nach B fuhren. Vorbei die Zeit, als die Supply-Chain-Kette „nur“ als Weg vom Hersteller über die Distribution und den Handel bis zum Endkunden zu verstehen war. Denn jetzt gibt es Big Data! Dank Optimierungsmethoden wie Deep Learning kann die Branche nicht nur dazulernen, sondern sich – vereinfacht ausgedrückt – neu erfinden.

Wie gut kennen Sie das Logistik-Universum wirklich? Denn seit es Big Data gibt ist alles anders! Vorbei die Zeit, in der knapp 2,9 Millionen LKW, tausende Güterwagons oder Handelsschiffe einfach nur von A nach B fuhren. Vorbei die Zeit, als die Supply-Chain-Kette „nur“ als Weg vom Hersteller über die Distribution und den Handel bis zum Endkunden zu verstehen war. Denn jetzt gibt es Big Data! Dank Optimierungsmethoden wie Deep Learning kann die Branche nicht nur dazulernen, sondern sich – vereinfacht ausgedrückt – neu erfinden.

Erfolgreich gelungen ist Deep Learning bereits in der Medizin und der Automotive-Industrie. Basis dafür sind u.a. Big Data, eine Begrifflichkeit, die uns derzeit ständig im Kontext von Künstlicher Intelligenz (KI), maschinellem Lernen oder neuronalen Netzen begegnen. Wer Deep Learning verstehen möchte, muss sich zuerst mit Künstlicher Intelligenz vertraut machen. KI kann schwach oder stark ausgeprägt sein. Wirklich starke KI ist bestrebt, Maschinen all das beizubringen, wozu der Mensch fähig ist. Mit Blick auf unsere Sinneswahrnehmungen wie Hören und Sehen ist das durchaus realistisch. Schwieriger wird es beim Schmecken und Fühlen.
 

Schwache Künstliche Intelligenz: immer dabei

Die sogenannte schwache KI fokussiert nur einzelne Fähigkeiten, die vom Mensch zur Maschine übertragen werden. Smartphone und Laptop besitzen eine schwache KI – Fertigkeiten wie Text-, Bild- oder Spracherkennung sind etabliert. Auch das Erkennen von Stoppschildern und Ampeln steht für schwache Künstliche Intelligenz im Automobilbereich. Basis von allem (und gern verwendet als Synonym für Deep Learning) sind künstliche neuronale Netze, die dem menschlichen Gehirn mit Neuronen und Synapsen nachempfunden sind. Synapsen sind Verbindungen, und im neuronalen Netz quasi die Eingangskabel, die Signale an die Zellkörper transportieren und das von ihnen erzeugte Ausgangssignal weiterleiten zur nächsten Nervenzelle. Sind miteinander verbundene Zellen gemeinsam aktiv, verstärken sich die Synapsen. Ungenutzte schwächen sich ab. So aktiviert das Lernen immer wieder eine Anzahl miteinander verknüpfter Zellen, deren Verbindung sich nach und nach weiter verstärkt. Ergebnis: das neuronale Netzwerk eines denkenden und lernenden Menschen.


Neuronale Netze: niemals des Lernens müde

Deep Learning ist die Fähigkeit einer Maschine, eigenständig solche Strukturen zu erkennen, diese Erkennung zu evaluieren und sich in mehreren vorwärts wie rückwärts gerichteten Durchläufen selbständig dauernd zu optimieren. Erkennungsgenauigkeit und Ergebnisnutzen werden dabei immer größer, bis nahezu dieselben intellektuellen Fähigkeiten wie beim Mensch vorliegen. Deep Learning kann z. B. Bilder erkennen, die keinen Regeln unterliegen. Ja, sogar solche, für die Regeln existieren, die aber nicht bekannt sind. Dazu wird das neuronale Netzwerk mit vergleichbaren Informationen aus Big Data gespeist. Das können z. B. Bilder mit  Paketen sein. Bilder von großen, kleinen, braunen, grünen etc. Päckchen, deren Bilder ins Netzwerk eingelesen werden. Dieses meldet während der Lernphase immer wieder zurück, ob es ein Paket als solches erkannt hat, oder nicht. Je nach Rückmeldung verändert das Netzwerk die Verbindung zwischen den Neuronen – es „lernt“.

Die Neuronen, die zum richtigen Ergebnis – das ist zwar grün, aber dennoch kein Paket – geführt haben, werden stärker, Fehlinterpretationen schwächen die Verbindung. All das führt zu einem intelligenten neuronalen Netz.


LKW der Zukunft – nie mehr müde Fahrer im Wetterchaos

Ähnlich funktioniert das bereits bei den Fahrerassistenzsystemen einiger Premium-Autohersteller, wo Kameras und Ultraschallsensoren Menschen und Hindernisse erfassen und das Fahren sicherer machen. Gänzlich autonomes Fahren hingegen ist für PKW und LKW (noch) Zukunftsmusik. Zu mannigfaltig sind Parameter wie Kompetenz, Erfahrung und Fahrverhalten des Lenkers, Verkehr, Lichteinflüsse, Fahrverhalten oder Wetter. Ein Stuttgarter Autokonzern hat für den Anfang des kommenden Jahrzehnts ein Taxi auf Basis von KI angekündigt.

Diese Fahrzeuge seien aber von Anfang an als Roboter-Taxis konzipiert, die nicht auf das Technik-Kit auf eines Serienfahrzeuges aufsetzen, sondern gänzlich neu entwickelt würden. Für LKW in der Logistik wären durch Deep Learning zusätzlich gemachte Prognosen zu technischen Daten, wie z. B. Temperatur oder Öldruck vorstellbar. Auf lange Sicht würden sich Wartungspläne dann weniger nach Herstellerangaben orientieren, sondern nach dem Bedürfnis und Fahrverhalten jeden einzelnen LKW.

Detailauswertungen des Fahrverhaltens könnten den Dieselverbrauch und den CO2-Ausstoß weiter senken. Auch die Errechnung optimaler tagesangepasster Routen unter Berücksichtigung von Verkehrs- und Wetterprognosen sind vorstellbar. Parameter wie etwa Reisezeit, Fahrzeit, Fahrer-Erfahrung könnten im Kontext zu Fahrerdaten wie Müdigkeit unterstützen, das Personal noch besser zu disponieren.


Mit Deep Learning Leerstand vermeiden

Auch in der Intralogistik eröffnen sich neue Perspektiven: Im B2B und B2C Sektor steigen die Umschlagsvolumina kontinuierlich. Klassische Technologie ist an ihre Grenzen gelangt. Das Sortieren, Laden und Ausfahren der Packstücke dauert immer länger und muss am Ende durch die Lieferanten kompensiert werden. Das manuelle Handling ist ineffizient, fehleranfällig und verursacht Kosten. Bildverarbeitung in Verbindung mit KI kann das verändern. Deep Learning könnte das Kommissionieren übernehmen und weiter verbessern – auch hinsichtlich des Erkennens von Beschädigungen und einer abschließenden Qualitätskontrolle. Auch kann Deep Learning in der Zukunft wertvolle datenbasierte Prognosen über Anstieg oder Abflachung von Warennachfragen abgeben und so helfen, Lagerengpässe oder Leerstand zu vermeiden.

Der Einsatz neuronaler Netze kann Laufwege in den Logistikzentren verkürzen und Pickrouten optimieren. Auch Drohnen als Mittel der Wahl für aufwendige und anstrengende Inventuren bei Lager- und Warenbeständen sind vorstellbar. Die Vorteile wären enorm: Die Mitarbeiter würden entlastet und das Gefahrenpotenzial durch lange Aufenthalte in ungesunden oder gefährlichen Lagerumgebungen könnte gesenkt werden. Armbänder bei den Angestellten könnten während der Arbeit deren spezifisches Bewegungsmuster anonym erfassen, um nach der Auswertung Ergonomie-Vorschläge z. B. für einen gesunden Rücken zu unterbreiten. Krankheitsbedingte Ausfälle in der Logistik würden verringert.


Schwärme und Multi-Agenten-Software

Fakt ist: Auch die Zukunft der Logistik wird mehr und mehr durch Künstliche Intelligenz und Mensch-Maschine–Kollaboration geprägt. Aktuelle Forschung und bezahlbare Innovationen im Bereich Sensorik, intelligente Systeme und Aktorik machen es möglich. Der Einsatz fahrerloser Transportsysteme ist ein erstes einfaches Beispiel: in begrenzten Arealen wie Hallen oder Häfen agieren diese schon jetzt nach vorprogrammierten Bewegungsmuster völlig autonom.

Noch gibt es in der Gegenwart die eindeutige Abgrenzung zwischen menschlichen und künstlichen Entscheidungen. Die Maschine schlägt eine Handlung vor und der Mensch quittiert, wenn er einverstanden ist. Je intelligenter Systeme werden und je mehr wir uns so genannten Superintelligenzen nähern, umso mehr verwischen diese Grenzen. Ein Experiment am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML verdeutlicht das: Dort interagierten mehr als 50 intelligente und miteinander vernetzte Transportfahrzeuge.  Die automatisierten Helfer führten in einer Halle Transporte von einem Hochregallager zu Arbeitsstationen aus. Dabei koordinierten sie sich nach dem Prinzip des Internets der Dinge durch den Einsatz von Multi-AgentenSoftware selbstständig und dezentral. Das Ergebnis: Das Verhalten der Transportfahrzeuge war für die Menschen nicht mehr vorhersehbar. Der Schwarm vergrößerte oder verkleinerte sich je nach Arbeitsanfall und -aufgabe. All das ist in der breiten Masse noch nicht gegenwärtig. Der Mensch wird Zeit brauchen, um neuer transparenter Technologie zu vertrauen. Und genau dieses Vertrauen ist es, das ihn nach Stand der Technik auch heute noch von Künstlichen Intelligenzen unterscheidet.

 

 


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